myclimate: Wer bei den Schweizer Jugendherbergen übernachtet, kann freiwillig einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Wie kommt dieses Angebot bei euren Gästen an?
Janine Bunte: Dieses Angebot kommt bei unseren Gästen sehr gut an. Rund 60% unserer Übernachtungsgäste leisten jedes Jahr den freiwilligen Klimaschutzbeitrag.
Ihr habt gerade euren 100. Geburtstag gefeiert. Bereits seit 30 Jahren ist die Nachhaltigkeit fest in eurem Leitbild verankert und ist Teil eurer Unternehmensphilosophie. Welche Massnahmen für den Klimaschutz konntet ihr bisher umsetzen?
Seit 1994 haben wir zahlreiche Massnahmen im Bau und operativen Bereich umgesetzt. Der Energieverbrauch sowie die Verursachung von Emissionen sind wichtige Indikatoren bei allen Projekten der Schweizer Jugendherbergen. Den Strom beziehen wir bei allen Jugendherbergen zu 100% aus erneuerbaren Energien (Wasserkraft). Auch geheizt wird in vielen Jugendherbergen mit erneuerbaren Energien – zum Beispiel mit Wärmepumpen oder Holzpellets-Heizungen, aber auch dank dem Bezug der Energie aus Fernwärmenetzen. Beim Kauf neuer Maschinen, wie Geschirrspülern oder Trocknern, legen wir besonderen Wert darauf, Geräte mit Wärmerückgewinnungstechnologie zu wählen. Zudem sind einige unserer Häuser bereits mit Solarpaneelen für Photovoltaik und Solarthermie ausgestattet. Durch bewusstes ständiges Optimieren der internen Prozesse, wie zum Beispiel effizientes Lüften oder dem Einsatz von Sparbrausen, können Energieverbrauch und Ausstoss von Emissionen beim Betrieb der Jugendherbergen gesenkt werden. Der spezifische CO₂-Ausstoss für Raumwärme konnte im Vergleich zum Jahr 2000 gar um 67.7 % reduziert werden.
Ein weiteres grosses Projekt war die Einführung des Food-Angebotes Yoummi im Frühjahr 2021. Seit der Einführung ist das gastronomische Angebot überwiegend vegetarisch. Das heisst, die Basis ist immer vegetarisch oder vegan und wir bieten nur noch jeden dritten Tag Gerichte mit Fleisch an. Rund ein Drittel des gesamten CO₂-Ausstosses wird durch Nahrungsmittel und deren Herstellung verursacht. Mit der Einführung von «Yoummi» gelang es uns, den CO₂-Ausstoss um durchschnittlich 40% im Vergleich zu Standard-Menüs zu reduzieren. Mit Freude stellen wir zudem fest, dass die Zufriedenheit in Bezug auf das Verpflegungsangebot bei unseren Gästen seit der Einführung kontinuierlich steigt, obwohl sie bereits auf hohem Niveau ist. Die Umsetzung der Nachhaltigkeitsmassnahmen wird im 3-Jahres-Rhythmus vom Schweizer Nachhaltigkeitslabel Ibex Fairstay überprüft.
Auf welche Massnahmen seid ihr besonders stolz?
Wir verfolgen keine separate Nachhaltigkeitsstrategie, sondern haben unsere gesamte Unternehmensstrategie auf Nachhaltigkeit ausgelegt und agieren in allen Teilen danach. Darauf, dass unser Strom zu 100 % aus erneuerbarer Energie kommt und auf die Umsetzung des Yoummi-Konzepts sind wir besonders stolz, weil es sehr wirksame Massnahmen sind.
Zudem haben wir im 2021 eine Pilotphase mit neuen Recycling-Stationen in fünf Jugendherbergen gestartet. Das funktioniert so, dass die Gäste einen Recycling-Bag, der selbst aus recyceltem PET gefertigt ist, erhalten. Während ihres Aufenthalts sammeln sie darin ihre recyclebaren Güter wie PET, Alu, Glas oder Papier und bringen diese an die zentralen Recycling-Stationen. Diese sind betont wertig gehalten, um sich von Abfalleimern abzuheben. Die Pilotphase hat gezeigt, dass die Akzeptanz bei den Gästen hoch ist. Insbesondere Kinder und Reisende aus Ländern, in denen der Recycling-Gedanke noch nicht so verankert ist, können auf diese Weise für den Wert von Recycling-Materialien sensibilisiert werden. Deshalb wurde das Projekt Recycling-Bag ab 2022 breit ausgerollt mit dem Ziel, alle eigenen Jugendherbergen mit einer Recycling-Station auszustatten. Aktuell werden bereits in 18 Jugendherbergen auf diese Art Wertstoffe gesammelt. Der Bau von weiteren Stationen läuft auf Hochtouren. Das Projekt wird aus Geldern aus dem myclimate «Cause We Care»-Programm mitfinanziert.
Ihr seid ein grosses Vorbild was die Reduktion von Treibhausgasemissionen angeht. Wie schafft ihr es, euren ökologischen Fussabdruck stetig zu reduzieren?
Die wesentlichen Tools zu Erreichung dieses Ziels und der Reduktion des ökologischen Fussabdrucks sind: 1. Reduktion / 2. Substitution / 3. Klimaschutzfinanzierung. D.h. unser Weg zum Ziel «Netto-Null» bis 2050 ist:
- Wir steigern die Effizienz und reduzieren den Verbrauch so stark wie möglich.
- Wo wir noch CO₂ emittieren, versuchen wir auf andere Energieträger auszuweichen
- Für den restlichen CO₂-Ausstoss entrichten wir zusammen mit unseren Gästen über das Programm myclimate «Cause We Care» einen Klimaschutzbeitrag, mit dem zum einen internationale Umweltprojekte finanziert werden und zum anderen für eigene ökologische Massnahmen zur Verfügung steht.
Es muss nicht immer weit weg sein. Wie schafft ihr es Menschen für Ferien in der Schweiz zu begeistern?
Wir haben das Glück, in einer wunderschönen Region zu leben – man muss sich nur mal umsehen: Blaue Seen, atemberaubende Berge, bunte Städte. Wer möchte die Schweiz und das Fürstentum Liechtenstein (wir betreiben in Schaan-Vaduz auch eine Jugendherberge) schon nicht entdecken? Wer bei den Schweizer Jugendherbergen übernachtet, hat die Möglichkeit, das teure Reiseland Schweiz preiswert und nachhaltig zu bereisen. So haben auch Menschen mit kleinem Budget die Möglichkeit, sich eine Auszeit vom Alltag zu leisten.
Welche Jugendherberge empfehlt ihr Tourist*innen, die die Schweiz von ihrer schönsten Seite entdecken wollen?
Das kommt natürlich darauf an, was die Tourist*innen für Bedürfnisse haben. Die Jugendherbergen befinden sich an den schönsten Plätzen der Schweiz: Für Städtetrips lohnt sich ein Besuch der Jugendherberge Bern zwischen Aare und dem Bundeshaus. Wer unbedingt das Matterhorn sehen möchte, sollte die Jugendherberge Zermatt besuchen, denn dort haben Gäste beim Frühstück und Abendessen einen perfekten Blick auf den Toblerone-Berg. Wer vom Bett direkt in den türkisblauen See hüpfen möchte, ist in der Jugendherberge Brienz richtig.
Früher wurde mit den Jugis Massenschlag und Hagebuttentee in Verbindung gebracht. Doch dieses Image ist längst überholt und die Ansprüche der Gäste gestiegen. An wen richtet sich euer Angebot?
In den Schweizer Jugendherbergen sind alle willkommen – wir beherbergen von Familien über Schulklassen bis zu Geschäftsleuten und jungen Backpacker*innen aus dem Ausland. Dieser bunt gemischte Gästemix macht das Erlebnis in einer Jugendherberge aus. 75 % unserer Betten sind in Mehrbettzimmern untergebracht, die restlichen 25 % in Doppelzimmern mit etwas mehr Komfort und Privatsphäre. Die Jugendherbergen sind vom Komfort und Servicelevel in die verschiedene Kategorien basic, classic, top und groups only eingeteilt. So findet sicher jede und jeder die passende Unterkunft für seine Bedürfnisse.
Wie geht ihr mit der Herausforderung um, Nachhaltigkeit und wirtschaftlichen Erfolg in Einklang zu bringen?
Wir sind uns bewusst, dass jede touristische Aktivität Ressourcen verbraucht. Wir versuchen, darauf mit einem angemessenen Angebot zu reagieren. So ist eine Übernachtung in einer Schweizer Jugendherberge per se wesentlich nachhaltiger und weniger energieintensiv als Ferien im Ausland oder in luxuriöserem Umfeld. Als Nonprofit-Organisation erfüllen die Schweizer Jugendherbergen seit ihrer Entstehung vor mehr als 100 Jahren den zivilgesellschaftlichen Auftrag, günstige Übernachtungsmöglichkeiten in der Schweiz anzubieten. Ein nachhaltiges Übernachtungsangebot anzubieten, ohne Rentabilität ist selbstredend nicht möglich. Alle Gewinne werden wieder in das Produkt investiert.
Welche zukünftigen Projekte und Initiativen plant ihr, um eure Klimaziele noch ambitionierter zu verfolgen?
Wir orientieren uns hierbei nach der Klimastrategie 2025 des Bundes. Eine Massnahme ist die Verbesserung und der Ausbau des Monitorings. Dazu arbeiten wir mir der Energieagentur der Wirtschaft und mit myclimate zusammen, um in Zukunft neben den Scope 1 und 2-Emissionen auch die Scope 3-Emissionen quantifizierbar zu machen. Ausserdem fördern wir aktiv interne Weiterbildungen für unsere Mitarbeitenden.